Lust auf Prävention - Unsinn oder wichtig?
Wenn wirklich Lust auf das Thema entsteht, dann entsteht auch Motivation.
In der Podcast-Episode 157 reden wir darüber, ob es notwendig ist, dass Führungskräfte und Beschäftige Lust haben auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz oder ob das unnötiger Luxus ist. Ist es also notwendig, schwer zu erreichen oder absolut illusorisch? Machen wir es kurz, meiner Ansicht nach: ja, ja und nein.
Ich zeige Ihnen, warum es wichtig ist, dass Leute Lust haben auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Damit Sie nicht glauben, gesetzliche Grundlagen reichen vollkommen aus für Ihre Arbeit und Ihre Aufträge.
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Warum rede ich über dieses Thema?
Ich habe über LinkedIn vor einiger Zeit eine kleine Umfrage gemacht. Da habe ich gefragt: Können Sie es nachvollziehen, wenn Führungskräfte keine Zeit/keine Lust haben für/auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz?
81 Personen haben abgestimmt. Und 59 % haben gesagt: Nein, das geht gar nicht! Ein Kommentar war: "Lustprinzip? Seit wann ist das denn eine Größe bei der Arbeit? Aber jede FK/Verantworliche Person kann die Kosten für Strafgelder, Knastabwesenheit und Gesprächen mit Angehörigen ja mit in sein Riskomanagement mit aufnehmen. Dann wird das schon was mit dem ruhigen Schlaf."
Ich finde es schockierend, dass Menschen diese Perspektiven-Übernahme nicht schaffen (sich reinzuversetzen in die Führungskräfte). Denn das halte ich für unbedingt notwendig. Ich halte es für ganz, ganz wichtig, dass wir es schaffen, die Perspektive der Führungskräfte zu übernehmen. Das ist notwendig für unsere Empathie, für die Sympathie zwischen uns und den Führungskräften und auch für eine gute Gesprächsführung.
Ein Beispiel
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu einer Ärztin zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung (voller Check). Und die Ärztin sagt Ihnen dann: "Sie haben eine gebrochene rechte Hand und brauchen sofort eine Operation. Und Sie müssen davon ausgehen, dass Sie dann sicher 4 Wochen ausfallen mit dem Schreiben."
Was antworten Sie ihr? Wahrscheinlich so etwas wie: "OK, das kann sein, dass da ein ganz feiner Haarriss ist, aber ich habe keine Schmerzen, ich habe es bis jetzt gar nicht gemerkt." Und ganz ehrlich: Haben Sie jetzt Zeit, dass Sie 4 Wochen ausfallen und nicht schreiben können? Wahrscheinlich nicht!
Aber wenn die Ärztin darauf besteht, dass Sie sich unbedingt morgen operieren lassen müssen: Wie reagieren Sie dann? Was denken Sie über die Ärztin? Wahrscheinlich würden Sie sich denken, dass sie darauf pocht, dass das ihre Rolle ist, aber eigentlich doch verstehen müsste, dass es nicht so schlimm sein kann, wenn man im Alltag nicht eingeschränkt ist.
Und genau so ist es umgekehrt. Stellen Sie sich mal vor: Sie sind jetzt die Ärztin und erzählen einem Geschäftsführer oder einer Geschäftsführerin, dass er oder sie schlechte Präventionskultur hat in der Firma und das bis jetzt nicht gesehen hat oder dass er oder sie die psychischen Belastungen der Beschäftigen nicht gemerkt hat.
Kommt Ihnen die Geschichte bekannt vor?
Manchmal erzählen wir nämlich unseren Ansprechpartnern Dinge, die wir für offensichtlich und schockierend halten, für die man unbedingt jetzt gleich Maßnahmen setzen und die man sofort beheben muss. Auch, wenn es intensiv ist, vielleicht lange dauert und viel kostet (Zeit, Geld, Energie, …).
Unser Gegenüber hat das Problem vielleicht so bislang gar nicht wahrgenommen. Es sieht das Problem gar nicht so und sieht vielleicht auch die langfristigen Konsequenzen nicht wie wir. Und es hat vielleicht deshalb auch überhaupt kein Interesse daran, Zeit und womöglich auch Geld in die Lösung zu investieren.
Und ja: Ich will, dass Leute LUST haben auf Präventionsangebote von uns. Und ich will, dass sie es nicht nur als notwendiges Übel ansehen, das man machen muss.
Denken Sie mal nicht an "überlebenswichtige" Dinge (wie z.B. Helm anschaffen auf einer Baustelle), also fix vorgeschriebene Sicherheitsmaßnahmen. Es gibt im HSE-Bereich so viel mehr und viele Grauzonen:
- Dinge, die gar nicht gesetzlich gefordert sind (aber wirksam und hilfreich, wie höhenverstellbare Schreibtische oder wertschätzendes Feedback)
- Dinge, die schon gesetzlich gefordert sind, aber die man auch halbherzig erledigen kann (wie z.B. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen)
- Dinge, die v.a. Aufmerksamkeit und geistige Kapazität in Anspruch nehmen, z.B. mit dem Team Lösungen finden, wenn eine Brandschutztür ständig aufgekeilt wird
Darauf braucht es "Lust" (oder Motivation oder Energie oder wie auch immer Sie es nennen wollen).
Es ist manchmal auch ein bisschen schwierig, das ist klar zu sagen. Und vielleicht ist es auch manchmal deswegen schwierig, weil wir es als Präventionsexpert:innen falsch verkaufen. Weil wir externe Motivationsfaktoren hervorheben (wie Gesetze, ISO-Zertifizierung, Qualitätsgütesiegel, ...). Wir wissen aber aus der Psychologie, dass dann die intrinsische Motivation automatisch zurückgeht!
Wenn aber wirklich Lust auf das Thema entsteht – und das ist das, wo wir hin wollen – dann entsteht auch Motivation:
- Leute haben viel schneller Termine für Sie
- Leute kommen pünktlich zu den ausgemachten Terminen, selbst wenn kurz vorher ein wichtiger Anruf reinkommt
- Leute reden positiv über das Thema und machen so intern Werbung
Deshalb gibt's ab 2024 auch von mir einen Lehrgang für Bedürfnisorientierte Prävention. Für alle, die lernen wollen, Angebote zu schaffen, bei denen Beschäftige gerne mitmachen und sich nicht einfach nur gezwungen fühlen. Weil da kommt es auf die Gesprächsführung an!
Aufgabe der Woche:
Reflektieren Sie mal: Machen Sie Angebote auf die Sie selbst Lust hätten? Würde es Ihrem früheren Ich Spaß machen, da mit zu machen (wenn Sie selbst nicht in der Prävention unterwegs wären)?
Weitere Empfehlung:
Podcast-Episode 154: "Fünf gute Gründe GEGEN Prävention"
Und wenn Sie bereit sind Ihre Überzeugungskraft zu steigern und sich auszutauschen mit einem großen Netzwerk von Kolleg:innen aus der betrieblichen Prävention: Schauen Sie vorbei unter www.PioniereDerPraevention.com . Denn wir wissen beide: Um wirklich etwas zu bewegen in Arbeitssicherheit & Gesundheit, braucht es mehr als Fachwissen!
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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