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Duzen oder siezen? 11 Leute. 11 Meinungen.

Letztendlich geht es nicht um "Sie" oder "Du", sondern um psychologische Sicherheit.

In der Podcast-Episode 120 geht es um die Grundsatz-Entscheidung im Deutschen: Sind Sie mit Ihren Gesprächspartner:innen per Du oder per Sie im Arbeits-Kontext?

Hören Sie sehr unterschiedliche Ansichten und doch auch einige gemeinsame Gedanken, die viele Leute teilen. Ich bin gespannt, wo Sie sich nachher einsortieren!

Ob man im Business per Du oder per Sie ist, ist eine Grundsatz-Frage im Deutschen.

  • Wie formulieren Sie die Texte auf Ihrer Website?
  • Wie sprechen Sie Leute beim ersten E-Mail oder beim ersten Treffen an?

Es mag egal wirken,  aber diese Entscheidung hat einen großen Einfluss darauf, wie Sie letztendlich auch von Ihrem Gegenüber wahrgenommen werden! Und weil das so ein komplexes Thema ist, habe ich noch die Ansichten von 10 weiteren Leuten mitgenommen und nicht nur meine eigenen Gedanken dazu.

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Für mehr Inspiration in Ihrem Alltag in der betrieblichen Prävention.

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Per Du oder per Sie? Das ist hier die Frage!

Ich wurde eingeladen von der Zeitschrift "Weekend Magazin" in einem Pro/Kontra-Format zu argumentieren, warum ich sieze.

Denn duzen wird ja immer normaler im Arbeitskontext. In der Generation meiner Großeltern hat man ja auch innerhalb der Familie noch Respektspersonen gesiezt!

Das Siezen fällt mir nicht schwer: Ich sieze im Berufsleben grundsätzlich meine KundInnen und deren Beschäftigte. Und ich sieze hier im Podcast auch.

Warum? Wir kennen uns noch nicht. Und ich finde es einfach höflicher und will Ihnen gegenüber respektvoll sein.

Wenn wir uns bei einer Konferenz zufällig über den Weg laufen würden und in der Kaffeepause am gleichen Stehtisch landen, dann würde ich auch sowas sagen wie: "Hallo, ich bin Veronika Jakl, ich bin Arbeitspsychologin und was machen SIE beruflich?" Ich fände es sehr seltsam, Sie gleich zu duzen. Das "Sie" empfinde ich persönlich zwar als distanziert, aber auf eine höfliche Art und Weise.

Aktuell glauben jedoch immer mehr Unternehmen, dass eine durchgängige Du-Kultur auch die Beschäftigten enger zusammenschweißt und die Kommunikation vereinfacht. Ein Trugschluss, finde ich!

Letztendlich geht es nicht um "Sie" oder "Du", sondern um psychologische Sicherheit. Diese ist notwendig, um tatsächlich offen über Ideen und schonungslos über Fehler und Gefahren zu sprechen. Und das ist für uns in der Prävention besonders relevant. Dieses Vertrauen lässt sich aber nicht herzaubern mit dem Gebrauch von Vornamen, sondern es muss wachsen!

In meinem Arbeitsalltag sieze ich zuerst grundsätzlich meine KundInnen. Und im Laufe einer längeren Zusammenarbeit ändert sich das manchmal auch zum "Du".

Auch meine erste Mitarbeiterin habe ich lange Jahre gesiezt. Das hat mir auch geholfen in die Führungsrolle reinzuwachsen, Anordnungen zu geben und manchmal auch Kritik auszusprechen.

Also:
Als ich gefragt worden bin von der Redakteurin der Zeitschrift, ob ich diesen Artikel schreiben will für das "Sie" im Arbeitsalltag, habe ich natürlich bejaht. Ich habe mir dann Gedanken gemacht. Und ich habe dann auch eine Umfrage gestartet auf LinkedIn. Da kamen dann viele spannende Argumente für das Duzen und Siezen. Und das ist in der Podcast-Episode 120 zu hören.

 

Für das grundsätzliche "Du" hat

Christine Hoffmann - Coach & Arbeitspsychologin aus Wien

argumentiert:

"Ich bevorzuge das kooperative Du auf Augenhöhe.

Meiner Erfahrung nach ermöglicht es mehr Tiefgang in Begegnung und Entwicklung."

 

Auch

Andreas Meier - Leiter der Ausbildungsfirma MIT Sicherheit aus der Schweiz

ist bei Fortbildungen klar für das "Du"

"In meiner Firma gibt es nur das Du... damit will ich ein Zeichen setzen, dass niemand "besser" ist, auch der Kursleiter und Instruktor.

In den vergangenen Jahren habe ich hiermit fast keine Unstimmigkeiten erlebt.

Frau Prof. hat sich während eines 2tägigen Kurs ebenfalls irgendwann mit der Situation arrangiert... und ich ziehe es einfach durch und duze"

 

Auch für

Melanie Stricker - Innerbetriebliche Betriebliche Gesundheitsmanagerin in Österreich

ist es klar:

"Bei uns im Unternehmen sind alle per Du, das wurde von Anfang an so kommuniziert und ich finde es viel persönlicher als das Sie. So hat man, finde ich, viel weniger Hemmungen jemanden zu kontaktieren, um Hilfe zu bitten o.Ä.

Grundsätzlich sieze ich aber außerhalb meines Arbeitsumfelds alle Personen, die ich nicht kenne und älter sind als ich."

 

Auch

Gabriela Prielop - Selbstständige Wirtschaftspsychologin und BGM-Fachkraft aus Hamburg

sagt:

"Dieses Thema gehört für mich in die Unternehmenskultur und darf/ sollte innerhalb einer Organisation diskutiert und festgelegt werden!

Schließlich empfinden wir das Duzen/ siezen personen- und kontextbezogen als unterschiedlich passend oder unpassend! Hier gibt es meiner Meinung nach nicht die eine Lösung!"

 

Auch differenzierter geht das

Gerlinde Tennhoff - Gesundheitsmanagerin aus Stade bei Hamburg

an:

"Ich war in einem Unternehmen tätig, wo eher eine Duz-Kultur herrscht.

Dennoch habe ich nicht alle geduzt bzw. wurde von einigen Personen gesiezt. [...] Ich denke, es gibt kein richtig oder falsch. Es muss sich für beide Seiten gut anfühlen."

 

Ich finde ja: Wenn es innerhalb einer Gruppe Unterschiede gibt, dann wird es seltsam.

Meine Schwester arbeitet in einem Konzern, wo sich offiziell alle duzen – auf jeder Hierarchiestufe. Als sie dann für ein Projekt ein E-Mail verfasst hat, das auch an den CEO adressiert war, kam es ihr plötzlich doch sehr seltsam vor auch ihn mit Vornamen anzusprechen. Sie kannte ihn ja nicht wirklich.

 

Und auch

Westphal Peter - Beratung Arbeitssicherheit im Elektrohandwerk bei der BG ETEM

schreibt:

"Es ist ein schwieriger Grat. Wenn sich alle duzen und man als einzige Person siezt und gesiezt wird fühlt man sich schnell als Außenseiter.

Wenn alle den Chef siezen man aber schon seit Jahren mit dem neuen Chef per du ist gibt auch das ein komisches Gefühl.[...]"

 

Das war auch der Grund, warum ich in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention irgendwann eine Abstimmung gemacht habe.

Weil zu Beginn war ich mit neuen Mitgliedern grundsätzlich per Sie. Aber dann kamen auch Leute dazu, die ich schon jahrelang kannte und mit denen ich per Du war. Das war dann seltsam bei Stammtischen. Und ich wusste auch nicht, wie ich dann die wöchentlichen Mitglieder-Newsletter schreiben soll: Du oder Sie?

Also habe ich eine Abstimmung gemacht unter den Mitgliedern. Es war ein klares Voting für das "Du". Also biete ich das jetzt allen neuen Mitgliedern auch so an und nehme das als Standard-Variante.

Da wird irgendwie auch das "Du" verordnet, ganz im Gegensatz zu meiner sonstigen Ansicht... Und gleichzeitig fühlt es sich dort richtig an...

 

Einer, der damals für das Du gestimmt hat, war:

Andreas Meier - Leiter der Ausbildungsfirma MIT Sicherheit aus der Schweiz

"Bei den Pionieren habe ich bei Veronika Jakl den Wunsch geäussert im geschützten Umfeld auf das Duzen zu setzen.

Aus meiner Sicht ist es eine gute Variante psychologische Sicherheit umzusetzen."

 

Thomas Mackenstein - Selbstständige SiFa aus Deutschland

argumentiert auch, dass die Zeitdauer, die man sich kennt, nicht für ihn ausschlaggebend ist, sondern eher der Kontext:

"Ich bin in einer Generation aufgewachsen, in der man gesiezt hat und das war vollkommen in Ordnung. Das war eine Form des Respekts. Keiner wäre auf die Idee gekommen, den Gegenüber einfach so zu duzen.

Auch heute sieze ich noch Menschen, welche ich schon seit Jahren kenne, trotz dass wir uns fantastisch gut verstehen.

Auch bei den Seminaren für Betriebsräte und Betriebsrätinnen wird die Du-Form bevorzugt.

Bei den Unternehmerseminaren ist jedoch ein Du nicht angebracht."

 

Mich erinnert das daran, dass ich z.B. beim Judo auch grundsätzlich die Leute duze. Es wäre echt seltsam, wenn wir im Training auf der Matte stehen alle gemeinsam im Judogi und dann sage ich: "Frau Huber, bitte schauen Sie darauf, dass Sie das Bein von Herrn Müller weiter unten blockieren für einen guten Sasae-tsuri-komi-ashi." Das wäre super schräg!

 

Renate Mayer - Deutsche Selbstständige rund um das Thema "Wirksam kommunizieren im Arbeitsschutz"

sagt auch, dass der Kontext ganz klar den Unterschied macht. Zum Beispiel der Kontext zwischen einem kleinen Seminar und einer großen Podiumsdiskussion:

"In meinen Seminaren duzen sich Teilnehmende gern. Ich lasse aber beides zu. Meist fordere ich dazu auf, sich bei der Vorstellungsrunde so vorzustellen wie man angesprochen werden möchte.

Bei Moderationen und Panel-Diskussionen würde ich immer Siezen! Da hab ich auch schon Menschen auf Kongressen gesiezt, mit denen ich eigentlich per Du bin (zuvor so vereinbart).

Wenn viel mit der Hand gearbeitet wird, zB Forst oder Bau, ist sogar manchmal spontan das Du üblich, man ist ja in der Branche "unter sich"."

Renate Mayer hat dann auch noch weiter geschrieben:

„Es regt mich auch im beruflichen Kontext auf, zB in Newslettern von Beratungsfirmen oder in Postings geduzt zu werden, vor allem wenn ich noch nie Kontakt zu den Sendenden der Nachrichten hatte."

Was für mich generell gegen zu schnelles Duzen spricht: sie oder du regulieren Nähe und Distanz in der Beziehung.

Ich kam mal in ein Seminar als Teilnehmerin, die meisten anderen waren schon im Raum. Ich wurde von der Trainerin begrüßt mit: "schreib doch deinen Vornamen auf dein Namensschild, wir haben uns schon auf Du geeinigt!" - das fand ich überhaupt nicht lustig, und das hat sich auch ne Zeit lang auf meine Mitarbeit im Seminar ausgewirkt. …"

 

Auch

Michel Lussana - Strahlenschutz-Spezialist bei Suva in der Schweiz

ist ein grundsätzlicher Fan vom Siezen, wenn man sich nicht kennt und bringt das in Zusammenhang mit mangelndem Respekt:

"Ich bin überzeugt, dass wir zu mehr gegenseitigem Respekt und Achtung voreinander zurückfinden müssen. Die gesellschaftliche Entwicklung macht mir grosse Sorgen.

Füsse auf den Sitz, ohne Kopfhörer laut Videos im öV schauen, beim Autofahren den Vogel zeigen, vordrängen, anrempeln, Taschen als Platzhalter auf den Sitz usw.

Ich bin kein Psychologe wie Sie, könnte mir aber vorstellen, dass diese "Hey Alter hör mal zu!" Mentalität nicht von allzugrossem Respekt zeugt.

Uns ist offenbar einfach nichts mehr peinlich, was aus meiner Sicht die Symptomatik erklärt, das heute munter drauflos geduzt wird, ungefragt."

 

Und er hat in dem Zusammenhang auch einen tollen Lied-Tipp: "Die Siezgelegenheit" von Annett Louisan. In dem Song geht es eher um erotische Annäherung als um Business, aber trotzdem hat es viele nette Überlegungen zum Du/Sie.

Vom Sie zum Du zu wechseln ist für mich persönlich auch immer ein besonders schöner und vertrauensvoller Moment. Umgekehrt - also vom persönlichen Du zum distanzierten Sie - habe ich es noch nicht erlebt.

 

Aber

Sylwia Birska - vom Podcast "ASA-Sitzung"

hat dazu eine Geschichte:

"Für mich fühlt es sich passend an, im Business zuerst zu Siezen.

Mir hat mal ein Kollege das Du angeboten und ich habe es spontan angenommen.

Dann war mir dabei doch unwohl in dem Kontext, in dem wir uns befanden und ich habe ihn darauf angesprochen, dass ich gerne beim Sie bleiben würde.

Ich war überrascht, wie professionell es der Kollege aufgenommen hat und wir schätzen uns gegenseitig sehr und arbeiten sehr gerne zusammen.

Ich finde es klasse, dass er das Ganze nicht persönlich genommen hat, sondern professionell damit umgegangen ist. So reagiert sicher nicht jeder Mensch."

 

Danke an alle, die mitdiskutiert haben!

Ich glaube, wir konnten zeigen, dass es komplex ist, aber mit Fingerspitzengefühl findet jede/r von uns den richtigen Ansatz. Im Zweifelsfall find ich: Immer Siezen!

 

Beobachtungsaufgabe der Woche:
Mit wem sind Sie per Sie und gleichzeitig sehr vertraut im Arbeitsalltag?
Und mit wem sind Sie per Du, aber eigentlich kennen Sie sich nicht gut?

 

Kleiner Tipp zum Schluss: www.PioniereDerPraevention.com - Die Akademie ist eine große Kurs-Bibliothek und internationales Netzwerk für ExpertInnen in der betrieblichen Prävention. Und wir pflegen ein respektvolles "Du" untereinander.

Feedback und Fragen an Veronika Jakl:
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Veronika Jakl auf LinkedIn:
Hier geht es zur Online-Akademie "Pioniere der Prävention":
Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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