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Planung einer GBu Psyche - 6 wichtige & oft vergessene Punkte

Ich lasse mir keine Methode diktieren. Denn die Methode muss zur Gruppe passen.

In der Podcast-Episode 116 sprechen wir über die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen. Und ich erzähle Ihnen 6 wichtige Punkte, die viel zu oft vergessen werden bei der Planung.

Ich bin als Arbeitspsychologin seit 10 Jahren mit dem Thema der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (in Österreich: Evaluierung psychischer Belastungen) unterwegs.

Mit 1.1.2013 wurde das Österreich. ArbeitnehmerInnenschutzgesetz angepasst und psychische Belastungen explizit reingenommen. Mitte des Jahres 2013 passierte das dann auch in Deutschland.

Das hat in meinem Beratungsalltag extrem verändert.
Vorher waren meine arbeitspsychologischen Projekte nur für Firmen interessant, die wirklich etwas verändern wollten und keine Angst vor dem Wort "Psychologie" hatten.
Ab 2013 war es dann aber eben eine gesetzliche Vorgabe, die in Österreich auch v.a. 2014 und 2015 sehr streng kontrolliert wurde von ArbeitsinspektorInnen. Und dann kamen viel mehr Anfragen, aber auch von vielen Firmen, die das eigentlich nur "vom Tisch haben wollten" und zumindest zum Zeitpunkt des Erstgesprächs mit dem Thema nicht viel anfangen konnten.

Das war eine herausfordernde Zeit mit super vielen Projekten, Workshop-Tagen und intensiven Gesprächen. Und ich habe in dieser Zeit extrem viel gelernt. Einerseits was Gesprächsführung angeht. Und andererseits, wie man solche Projekte bestmöglich aufsetzt.

Ich kann mich noch gut erinnern:
Bei den ersten Evaluierungen war ich selbst noch unsicher. Ich kannte den Prozess zwar am Papier, aber die Stolperfallen in der Praxis sind mir erst aufgefallen als ich mitten drinnen war. Und manche Fehler habe ich dann halt gemacht. Das hat kein Projekt ruiniert, aber das sind Fehler, die man nicht unbedingt machen muss.

Deshalb halte ich seit vielen Jahren auch so gerne Fortbildungen zu diesem Thema für ArbeitspsychologInnen, in der Ausbildung für Arbeitsmedizin und auch für Fachkräfte für Arbeitssicherheit. Damit diese gut vorbereitet sind für ihre eigenen Projekte.

Und auch in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention ist die psychische Gefährdungsbeurteilung immer wieder ein Thema, bei dem ich den Mitgliedern sehr gerne weiterhelfe.

Für alle Mitglieder in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention:
Im April 2023 haben wir das Monatsthema "Psychische Belastungen". Freut Euch auf neuen Input und Austausch zu dem Thema!

Und in dieser Podcast-Episode schauen wir uns an, wie man so ein Projekt plant und welche Punkte Sie dabei unbedingt beachten sollten!

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Wie gehe ich nun die Planung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen an?

Ich gehe für mein Beispiel von einer Firma aus, die das vorher noch nie gemacht hat, die keine Erfahrung damit hat. Ich gehe auch davon aus, dass schon ein Erstgespräch stattgefunden hat, z.B. mit HR und/oder GF. Und dass dort das Thema vorgestellt wurde, mögliche Methoden und Kosten erklärt wurden. Und es wurde zugestimmt, dass es hier weitergeht.

Ich starte die Planung von einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen immer mit einem Projektplanungsworkshop. Das heißt, dass ich schon zu Beginn klar mache, dass ich so ein Projekt nicht bei mir am Schreibtisch plane und der Firma dann vorgebe, wie wir das machen. Sondern für mich ist extrem wichtig, dass hier zu Beginn schon alle wichtigen Player/Stakeholder/… partizipieren. Von Anfang an.

Bei dem Projektplanungsworkshop möchte ich also schon die wichtigsten Leute mit im Boot haben.

TeilnehmerInnen sind:
Geschäftsführung, ev. höhere Führungskräfte, Personalabteilung, andere Präventivfachkräfte (wenn viel involviert oder aktiv im Unternehmen), Betriebsrat, ev. Sicherheitsbeauftragte/Sicherheitsvertrauenspersonen. Manchmal: BehindertenVP, Lehrlingsbeauftragte/AZuBi-Kontaktperson, ...

Zum Ablauf:

Die Dauer ist durchschnittlich mit 3 Stunden angesetzt.

Zuerst kläre ich (noch einmal) das Thema und die rechtlichen Grundlagen. Dann folgt die Besprechung von bisherigen Erfahrungen in der Firma mit dem Thema. Mögliche Methoden werden vorgestellt und die Reaktionen darauf beobachtet. Danach kommt die Gruppeneinteilung. Das ist der wichtigste Schritt in der Planung! Das kann man ggf. schon vorher mit HR besprechen bzw. diesen als Hausausgabe geben. Auf der Basis der Gruppeneinteilung wird dann die Methodenauswahl getroffen. Ich lasse mir keine Methode diktieren. Denn die Methode muss zur Gruppe passen. Es kann auch eine Mischung sein innerhalb einer Firma: Es gibt beispielsweise Gruppen, wo Beobachtungsinterviews durchgeführt werden, bei anderen Gruppen finden schriftliche Befragungen statt, bei wieder anderen gibt es Gruppenworkshops. Danach wird der Informationsfluss geplant.

Ich gebe vor dem Projektplanungs-Workshop keine Gesamtkosten ab (ich kann schätzen, ich kann Einzelkosten angeben), aber die Gesamtkosten hängen von der Gruppeneinteilung und der Methodenwahl ab.

Wichtig, aber oft vergessen:

6 relevante Punkte bei der Planung einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen:

  1. Fragen Sie nach: Welche Erfahrungen gibt es schon in der Organisation mit bestimmten Methoden oder KVP-Prozessen? Es soll nicht der 5. Versuch sein, wo dann ohnehin nichts rauskommt am Schluss ...
  2. Man kann unterschiedlichste Erhebungsmethoden in der Organisation kombinieren. Das ist möglich. Das macht fast immer mehr Sinn als eine einzige Methode für alle Arbeitsplätze.
  3. Gibt es die Bereitschaft der Geschäftsführung fundamental etwas zu ändern, wenn nötig? Dazu muss die oberste Führungsebene eingebunden sein und den Prozess für relevant, fundiert & repräsentativ halten.
  4. Überlegen Sie sich von Anfang an: Wie räumen Sie Bedenken von MitarbeiterInnen aus? Damit diese auch mitmachen. Die pure Fachinformation ist oft zu wenig! Ein aktives Zuhören und Ansprechen von Bedenken ist wichtig! Oder es funktioniert auch gut, wenn man den Betriebsrat von Anfang an einbindet!
  5. Überlegen Sie sich schon bei der Planung: Was passiert mit den Ergebnissen? Welche Hierarchieebene bekommt wann Rückmeldung über die Ergebnisse? Wie umgehen mit Ergebnissen, die in den einzelnen Abteilungen nicht gelöst werden können und sich wie ein roter Faden durchziehen durch die ganze Firma? Denn wenn die MitarbeiterInnen keine Rückmeldung über die Ergebnisse bekommen und sich nicht involviert fühlen in den Prozess, dann braucht man in der Zukunft keine 2. Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen mehr machen, denn dann werden diese nicht mehr mitmachen.
  6. Wann und von wem wird die Umsetzung und die Wirksamkeit der Maßnahmen kontrolliert? Das am besten vorher schon festlegen während der Planungsphase (am grünen Tisch). Und nicht erst 1 Jahr nach der Befragung oder den Workshops. Das ist wichtig, um sicherzustellen, dass der Prozess am Laufen bleibt, auch wenn für mich als Externe/r kein Budget mehr da ist. Damit dies dann nicht versandet.

 

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Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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