Bewusstsein für Arbeitssicherheit heben bei FK mit Bedürfnisorientierung
Da gibt's ganz unterschiedliche Bedürfnisse, die jede:r von uns bis zu einem gewissen Grad immer ausgeprägt hat.
In der Podcast-Episode 149 reden wir darüber, warum Führungskräfte manchmal keine Sicherheitsschuhe in der Produktionshalle tragen und wie Sie damit umgehen können. Wir reden darüber, warum Bedürfnisse hier eine große Rolle spielen, welche Interventionen möglich sind und welche Frage Sie sich selbst stellen sollten in der Situation!
Heute spreche ich also darüber, wie man das Bewusstsein von Führungskräften heben kann für Arbeitssicherheit. Damit Sie hier nicht verzweifeln, auch wenn Ihnen da vielleicht manchmal das Hirn stehen bleibt ;)
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Eine Fachkraft für Arbeitssicherheit hat letztens "Ihr Audit zum Erfolg" gemacht. Das ist ein Online-Fragebogen, den ich entwickelt habe, wo man 39 Fragen zu seinem Beratungsalltag beantwortet und am Ende eine individuelle Auswertung bekommt, in welchen Bereichen man sich noch persönlich weiterentwickeln kann, um wirksame Prävention zu betreiben.
Jedenfalls ist da eine Frage dabei, die heißt: Was ist aktuell Ihre größte Herausforderung? Und diese Fachkraft für Arbeitssicherheit hat geschrieben: "Das Bewusstsein für Sicherheit bei einem Unternehmen. Besser gesagt, das "Nicht-Bewusstsein". Ich diskutiere mit allen Führungsebenen über das Tragen von Sicherheitsschuhen in der Produktionshalle. Da bleibt mir oft mein Hirn stehen."
Und deshalb geht's hier darum, wie man das Bewusstsein von Führungskräften für Arbeitssicherheit heben kann. Und zwar natürlich mit psychologischem Fachwissen und Bedürfnisorientierung.
Warum ist das wichtig?
Wir wissen es alle: Vorgaben, Gesetze, Normen, … reichen nicht für eine wirksame, nachhaltige Verhaltensänderung.
In dem genannten Beispiel ist das Tragen von Sicherheitsschuhen in der Produktionshalle ganz sicher irgendwo vorgeschrieben, aber es wird im Arbeitsalltag nicht von allen Personen eingehalten.
Deshalb meinen viele in der Arbeitssicherheit, dass man offenbar das "Sicherheitsbewusstsein" heben muss in der Firma, bei Führungskräften und MitarbeiterInnen.
Das glaube ich schon mal nicht. Ich bin davon überzeugt: Niemand will sich verletzen, niemand will einen Unfall haben. Ja, dieses Sicherheitsbewusstsein per se ist sicher da. Aber natürlich ist Arbeitssicherheit nicht bei allen Leuten im Arbeitsalltag ganz vorne auf der gedanklichen Liste bei den Prioritäten.
Woran kann es liegen?
Welche anderen Ziele haben die Führungskräfte in der Firma?
--> Geht es darum, Leistung zu zeigen, irgendwelche Kennzahlen zu erreichen, viel Gewinn zu erwirtschaften, möglichst die Produktion hochzuhalten, die Qualität der Produkte hochzuhalten?
Ich bin mir sicher, dass diese Führungskräfte viel am Tisch haben, viele Ziele haben, die sie erreichen sollen.
Welche Bedürfnisse haben denn die Führungskräfte?
Also tief in sich: Welche Motive haben sie? Was ist ihnen wichtig? Welche Werte tragen sie mit?
--> Beispielsweise kann das Leistung sein, sich erfolgreich fühlen. Das muss dieser Person auch nicht zwingend bewusst sein. Aber wenn sie dieses Bedürfnis hat, wird sie ihr Handeln immer danach ausrichten. Es kann aber auch sein, dass eine andere Führungskraft ein großes Machtbedürfnis hat (also andere Personen anführen zu wollen). Es gibt auch das Bedürfnis nach Autonomie, also unabhängig zu sein und selbst Dinge zu entscheiden. Es kann auch sein, dass eine Führungskraft ein starkes Kompetenzbedürfnis hat (man will effektiv einwirken). Oder eine Führungskraft hält die Ehre sehr hoch und möchte sich selbst auch anständig verhalten.
Das sind ganz unterschiedliche Bedürfnisse, die jede:r von uns bis zu einem gewissen Grad immer ausgeprägt hat. Und jede Person hat eine individuelle Zusammensetzung.
Und jetzt ist im Arbeitsalltag die Frage, welche Verhaltensweisen und welche Entscheidungen zahlen auf die individuellen Grundbedürfnisse ein. Was unterstützt die Führungskraft und ihre Motive? Und was ist der Person vielleicht nicht so wichtig?
Je nachdem, welche Führungskraft, welche Motivlage man vor sich hat, muss man auch unterschiedlich vorgehen beim Diskutieren und Motivieren.
Wenn z.B. jemandem das Bedürfnis hat, sich anständig zu verhalten und Regeln einzuhalten, dann ist das etwas anderes, als wenn ich jemanden vor mir habe, dem das überhaupt nicht wichtig ist. Denn dann brauche ich bei der Person nicht mit Regeln und Vorschriften argumentieren. Das wird sie zumindest nicht intrinsisch und nachhaltig motivieren.
Die Fachkraft, von der das kam, hat auch geschrieben: "diskutiere mit allen Führungsebenen". Das ist für mich ein Hinweis darauf, dass in diesem Betrieb die Präventionskultur hier offenbar ein Thema ist. Und ich denke mir: Wenn die Geschäftsführung das schon nicht ernst nimmt und keine Sicherheitsschuhe anzieht, dann wird es auch schwer werden beim mittleren Management.
Welche Interventionen kann man setzen?
Das absolute Basic: Selbst Vorbild sein. Also selbst z.B. natürlich die Sicherheitsschuhe anziehen, auch wenn man mit einer Führungskraft unterwegs ist in der Halle.
Man kann eine Person natürlich darauf hinweisen, aber immer mit "motivierender Gesprächsführung". Das ist ein Begriff aus der Suchtprävention.
Ich verrate hier mal was:
Mein Vater raucht Zigaretten. Glauben Sie, dass es helfen würde bzw. etwas ändern würde, wenn ich ihm jedes Mal, wenn wir uns sehen, sagen würde, dass es ungesund ist, dass er raucht?
Möglicherweise würde das nicht die beste Vorgehensweise sein. Aber was müsste ich denn zu ihm sagen, dass das wirkt? Ziemlich sicher würde es nicht helfen, wenn ich sage: "Papa, da bleibt mir echt das Hirn stehen. Wie kann man nur so blöd sein und rauchen?" Wahrscheinlich wird das nicht helfen.
Und ähnlich ist es dann auch, wenn ich Leute davon überzeugen will, Sicherheitsschuhe anzuziehen in der Produktionshalle.
Was man aber machen kann, ist z.B. Konsequenzen aufzuzeigen (z.B. Vorbildwirkung auf MitarbeiterInnen, Verstöße gegen Vorgaben). Und da ist es unterschiedlich, welche Informationen man setzen sollte. Je nachdem, welche Bedürfnisse ich bei dieser Führungskraft wahrnehme, worauf diese anspringt, muss ich hier unterschiedlich vorgehen.
Wie gehen Sie persönlich damit um?
Wenn man gefühlt alle Führungskräfte gegen sich hat oder zumindest nicht als Unterstützung erlebt, dann ist das ja auch emotional schwierig, oder?
Denken Sie mal an Ihre eigenen Emotionen. Was triggert das bei Ihnen? Warum ärgert Sie das überhaupt?
Theoretisch könnte Ihnen das als Fachkraft für Arbeitssicherheit doch egal sein, weil Sie haben wahrscheinlich Ihre Sicherheitsschuhe an. Ihre Zehen sind sicher.
Warum ist es Ihnen nicht egal? Vielleicht ist es ein gefühlter Angriff auf Ihr Selbstbild und Ihre Kompetenz? Beispielsweise, dass diese Personen das machen, weil sie nicht die gleichen Werte haben, die Sie aber vertreten und für die Sie einstehen.
Ich glaube, dass wir mit viel Impathie, mit der Empathie mit uns selbst, gut reinhören sollten in uns selbst.
Wenn Sie dieses Thema interessiert:
Ich erzähle das detaillierter beim Intensiv-Lehrgang "Bedürfnisorientierte Prävention" von Jänner bis Juni 2024. Da lernen Sie, wie man in Gesprächen diese Grundbedürfnisse heraushört und wie Sie darauf optimal reagieren können.
Weitere Empfehlung:
Episode 147: "Bedürfnisorientierte Prävention - eine Einführung"
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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