4 Wege, wie Gruppendynamik Ihre Präventionsarbeit beeinflusst
Gruppen sind keine einfache Anhäufung von Einzelpersonen sondern komplexe Strukturen.
In der Podcast-Episode 110 sprechen wir über einen wichtigen Einflussfaktor in der Prävention: Sozialpsychologische Prozesse. Also der Einfluss von Gruppen auf Einzelpersonen und umgekehrt.
Nach dieser Episode kennen Sie die 4 Wege, wie Gruppendynamik Ihre Präventionsarbeit beeinflusst und wissen, worauf Sie achten müssen.
Ich zeige Ihnen damit heute eins meiner Lieblingsthemen: Sozialpsychologie! Das ist wichtig, damit Sie besser verstehen, wie Gruppen und Teams funktionieren und Ihre Präventionsarbeit darauf abstimmen können.
Warum ist das mein Lieblingsthema?
In der Schule hatte ich 1 Jahr Psychologie-Unterricht und bereits da hat mich das Thema fasziniert! Da ging es unter anderem um Fragen wie:
- Warum handeln Menschen in Gruppen manchmal idiotisch?
- Wie entsteht "Gruppenzwang"?
- …
Und es gibt zu dem Thema sehr eindrückliche Experimente (für die Profis: Ash, Stanford-Prison, Milgram & Co).
Diese Themen waren mein eigentlicher Grund, warum ich Psychologie studiert habe!
Und dann, viele Jahre später in der Arbeitspsychologie, habe ich auch gesehen, wie sozialpsychologische Prozesse Workshops beeinflussen, Projektplanungen verändern und auch Konflikte entstehen lassen.
Ich bin davon überzeugt: Wenn man weiß, wie Menschen ticken und wie eben auch Gruppendynamik und andere soziale Prozesse das Denken und Handeln beeinflussen, dann können wir viel bessere Beratung leisten.
Weil wir eben verstehen, warum sich Menschen wie verhalten. Und wir denken uns dann nicht einfach nur "oh, das ist irgendwie seltsam", sondern haben Begriffe dafür, kennen die Theorie dahinter. So können wir wertschätzender und verständnisvoller agieren!
Und das ist so wichtig! Denn nur, wenn wir unserem Gegenüber das Gefühl geben, dass sein Verhalten normal ist, schaffen wir die psychologische Sicherheit, die notwendig ist für eine wirksame Präventionsarbeit.
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Sind Sie schon Mitglied in der Online-Akademie für Pioniere der Prävention?
Wahrscheinlich schon. Dann freuen Sie sich auf das Monatsthema im Februar: "Sozialpsychologische Phänomene". Dazu gibt's demnächst auch einen neuen Kurs in der Online-Bibliothek. Mehr dazu im Forum und im wöchentlichen Newsletter.
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Man könnte ja sagen: Gruppen sind auch nur ein Haufen von Einzelpersonen. Und jede Person hat eine Persönlichkeit mit Hang zu gewissen Entscheidungen, Verhalten und Gefühlen. Manche entscheiden sich schneller. Manche warten gerne ab. Manche denken immer ewig über etwas nach, bevor sie handeln. Manche sind in der Regel egoistisch. Manche haben einen Beschützerinstinkt. Und wenn diese in einer Gruppe aufeinander treffen, dann setzt sich eben die "stärkste", also die ranghöchste, Person durch.
Aber ganz so einfach ist es nicht! Gruppen sind keine einfache Anhäufung von Einzelpersonen. Sondern sie sind komplexe Strukturen und haben eine eigene Gruppendynamik. Das heißt: Wie sich die Leute gegenseitig wahrnehmen, wie sie sich beeinflussen und wie sie als Gruppe Entscheidungen treffen, ist von ganz vielen Aspekten beeinflusst.
Und da gibt es ganz spannende Phänomene, die wir als PräventionsexpertInnen kennen und erkennen sollten!
In dieser Podcast-Episode kann ich natürlich keine ganze Sozialpsychologie-Vorlesung halten. An der Uni hatte ich das Thema über 3 Semester jede Woche 2 Stunden! Aber: Ich will hier ein paar Beispiele bringen, wie Gruppendynamik unsere Präventionsarbeit beeinflusst.
Ich habe das in 4 verschiedene Wege gegliedert. Auf welchem Weg eben diese sozialpsychologischen Prozesse unsere Präventionsarbeit beeinflussen.
Die 4 verschiedenen Wege:
1. Soziale Prozesse als Thema selbst
Hier denke ich natürlich an die GBu psychischer Belastungen, wo das Sozialklima – sowohl innerhalb einer Abteilung aber auch mit den verschiedenen Führungsebenen – natürlich total relevant ist. Aber ich denke auch an Konflikte und Konfliktmanagement als großes Thema im BGM oder bei Gesundheitszirkeln.
Diese sozialen Prozesse können selbst ein Thema sein für die betriebliche Prävention. Das kann die Themenauswahl auch beeinflussen, was man so macht in einer Firma.
2. Gruppendynamik beeinflusst Planung in Steuerungsgruppen
In einer Steuerungsgruppe herrscht ja auch eine gewisse Gruppendynamik: Wer ist für / gegen ein Projekt? Das beruht oft auch auf persönlichen Interessen und Sympathie. Und das hat einen Einfluss darauf:
- Wer bekommt in einer Organisation wie viel Budget?
- Wer stellt es sich gut mit der Geschäftsführung?
- Wer spricht miteinander auch unabhängig von offiziellen Meeting-Terminen?
- Wie laufen informelle Kanäle?
Und all das hat einen Einfluss auf die Planung in einer Steuerungsgruppe:
- Was wird im betrieblichen Gesundheitsmanagement gemacht?
- Wer bekommt wie viel Zeit zur Verfügung gestellt?
- Wer kann seine Themen gut präsentieren?
3. Sozialpsychologische Phänomene in Teams beeinflussen Präventionskultur
Ich nenne hier die psychologische Sicherheit. Hier geht es darum, dass man sich sicher sein kann, dass man offen reden kann, dass man auch Dinge ansprechen kann, die etwas unangenehmer sind.
Wenn diese psychologische Sicherheit in einem Team nicht da ist, dann können z.B. Gruppendiskussionen nicht gut stattfinden. Weil z.B. Konflikte diese internen Erhebungen behindern. Das heißt, man kann dann keine Gefährdungsbeurteilung in einer größeren Gruppe machen, weil sich die Leute einfach nicht trauen, hier kritische, unangenehme Dinge zu äußern. Und das beeinflusst eben auch die Präventionskultur.
Wenn z.B. in einem Team nicht offen gesprochen werden kann bei Sicherheitsbedenken oder bei Gesundheitsrisiken. Oder (wenn ein Unfall passiert ist): Will man jemandem die "Schuld" in die Schuhe schieben? Wem vertraut man was an? Wer wird als kompetent genug wahrgenommen für Maßnahmenumsetzung?
Konflikte haben auch einen Halo-Effekt: Es wird dann also alles als "schlecht" wahrgenommen. Auch die Feedback-Kultur, die Arbeitseinteilung, die Zuweisung von Geräten, ... wird als schlecht empfunden, obwohl es vielleicht objektiv gesehen in Ordnung ist. Aber was ist schon objektiv?
Auch das ist ein sozialpsychologisches Phänomen, das unsere Präventionskultur stark beeinflusst.
4. Soziale Phänomene als "Nudge" für gesundheitsförderliches / sicheres Verhalten
Über "Nudging" habe ich in der Podcast-Episode 107 - "Nudging - 5 Beispiele aus der Prävention" schon genauer erzählt. Das ist die Technik des Anstupsens. Man gibt den Leuten Schubser in die für uns richtige Richtung für gesundheitsförderliches, sicheres Verhalten.
Und Nudges arbeiten auch oft mit sozialen Phänomenen.
Beispiel 1:
Beispiel 2:
Zum Thema "Soziale Prozesse" gibt es viele Inhalte in der Online-Akademie, weil das für Präventionsarbeit so wichtig ist. Im Februar gibt es einen neuen Kurs "Gruppendynamik & soziale Prozesse" mit typischen Phänomenen, jeweils Beispielen und worauf man konkret achten sollte als PräventionsexpertIn.
Aufgabe:
Schauen Sie heute mal bewusst hin: Wo fallen Ihnen soziale Prozesse auf im Arbeitsalltag?
Weitere Empfehlungen:
- Podcast-Episode 107: "Nudging – 5 Beispiele aus der Prävention"
- Podcast-Episode 104: "Wer ist WIRKLICH schuld, wenn MA ungesund oder unsicher arbeiten?"
- Podcast-Episode 76: "Wann Gruppenworkshops NICHT hilfreich sind"
Wenn Sie mehr über die psychologischen Prozesse hinter erfolgreicher Präventionsarbeit wissen wollen - das war nur der Appetit-Anreger: Schauen Sie vorbei unter www.PioniereDerPraevention.com/akademie .
Veronika Jakl
Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".
Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren.
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.
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