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Die Führungskraft als Stressfaktor. Was kann man tun? Eine Erfolgsgeschichte.

Die Evaluierung psychischer Belastungen, mittlerweile nicht nur für die Privatwirtschaft sondern auch für Ämter und Ministerien verpflichtend, führte uns vor kurzem in eine Organisation mit etwa 120 MitarbeiterInnen. Nach der schriftlichen Befragung erfolgte die Konkretisierung der Belastungen in gezielten Maßnahmenworkshops. In einem Maßnahmenworkshop offenbarten die MitarbeiterInnen einer Abteilung, dass sie seit Jahrzehnten einen Chef hätten, der negative Stimmung verbreitet. 

Angst und Albträume an der Tagesordnung

Es werden ihnen notwendige Informationen vorenthalten. Sie bekommen widersprüchliche Anweisungen. Die eigene Abteilung wird gegenüber anderen Abteilungen nicht verteidigt. Und auch sonst gibt es einen sehr schroffen Umgangston mit den MitarbeiterInnen, der bereits als Bossing bezeichnet werden könnte. 

Dies führte laut den MitarbeiterInnen bei einigen bereits zu massiven psychischen Fehlbeanspruchungen (unter anderem Angst vor der Arbeit inkl. spontanen Schweißausbrüchen, Weinkrämpfen, Albträumen, erhöhter Blutdruck, …). Es gäbe auch eine regelmäßige Fluktuation der MitarbeiterInnen in andere Abteilungen, da man bis jetzt nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Zustand aus eigener Kraft zu lösen.

Nachdem zahlreiche Beispiele gesammelt und in einem Protokoll festgehalten wurden, konnten die MitarbeiterInnen nochmals Änderungswünsche an diesem Protokoll bekannt geben. Sie nützten diese Gelegenheit, sich intern nochmals zusammen zu setzen, weitere Beispiele zu sammeln und ein gemeinsames, für alle passendes Wording zu finden.

 

Der Versuch einer Aussprache und ein wütender Chef

Zwei Wochen nach dem Maßnahmenworkshop war der Nachbesprechungstermin, bei dem die MitarbeiterInnen der Abteilung geschlossen erschienen und auch die entsprechende Führungskraft anwesend war. Zusätzlich waren auch der Personalleiter und der Betriebsrat zugegen sowie die Arbeitspsychologin, die bereits den Workshop moderiert hatte.

Nur wenige Minuten nach Beginn der Nachbesprechung, verließ der Vorgesetzte jedoch unvermittelt und wutentbrannt den Raum. Er konnte die vorgebrachten Beispiele der MitarbeiterInnen nicht nachvollziehen und wollte sie auch nicht glauben. Eine Wiederaufnahme des Gespräches in diesem Rahmen schien zu diesem Zeitpunkt weder möglich noch hilfreich. Die MitarbeiterInnen waren sehr aufgewühlt und ratlos, wie sie nun in Zukunft mit der Führungskraft umgehen sollten.

 

Aussprache und erste schnelle Schritte

Als erster wichtiger Schritt erfolgte eine Deeskalation der MitarbeiterInnen. Es wurde, in Absprache mit dem Personalleiter, über die weitere Vorgehensweise gesprochen. Die MitarbeiterInnen bekamen den restlichen Tag bezahlt frei und es wurde umgehend ein 8-Augengespräch mit dem Chef, dem Personalleiter, dem Betriebsrat und der Arbeitspsychologin geführt. In diesem Gespräch wurde fixiert, dass die Führungskraft sich für die restliche Woche (Do und Fr) frei nimmt und im Laufe der nächsten Woche ein eigenes Büro bezieht. Bis dahin saß der Vorgesetzte nämlich mit zwei MitarbeiterInnen in einem Büro. 

Zusätzlich wurde ein gemeinsamer Termin für ein Teamcoaching in der kommenden Woche vereinbart, um die Abteilung inklusive Chef mit dieser emotional aufgeladenen Situation nicht alleine zu lassen.

 

1 Woche später: Beruhigung und Teamcoaching

Die räumliche Trennung der MitarbeiterInnen von der Führungskraft sorgte bereits sehr schnell zu einer Abkühlung des aufgebrochenen Konflikts, der in dieser Form vorher noch nie thematisiert wurde. Die MitarbeiterInnen hatten die Arbeitsbedingungen einfach hingenommen und nur still darunter gelitten.

Im Teamcoaching, moderiert von der betreuenden Psychologin, wurde intensiv an einer gemeinsamen Zukunftsperspektive für die Abteilung gearbeitet. Dazu gehörte auch die Klärung der hierfür notwendigen Rahmenbedingungen. Eine stark eingreifende Moderation und ein gut strukturierter Ablauf befähigte die MitarbeiterInnen als auch die Führungskraft schließlich dazu, längst aufgestaute Themenfelder angstfrei ansprechen zu können und eine gemeinsame Lösung hierfür zu finden.

Nach dem Teamcoaching hatten alle Beteiligten einen Weg gefunden zukünftig besser miteinander umzugehen. Wie sehr dieser halten sollte, blieb jedoch noch fraglich. 

Flipchart des Teamcoachings

 

Bleibende Effekte einer gezielten Maßnahme?

Drei Wochen nach dem Teamcoaching erfolgte eine neuerliche Bestandsaufnahme der aktuellen Situation. Die MitarbeiterInnen hatten sich gewünscht die abgebrochene erste Nachbesprechung nachzuholen, um mit dem Chef auch die restlichen Punkte des Protokolls besprechen zu können.

Zum Erstaunen des Betriebsrats und der Arbeitspsychologin kamen die MitarbeiterInnen zusammen mit ihrer Führungskraft gut gelaunt und miteinander scherzend in den Besprechungsraum. Alle berichteten, dass sie sich nach dem Teamcoaching nochmals gemeinsam zusammengesetzt hätten und über die bisherigen „Verletzungen“ und Probleme geredet hätten. 

Es stellte sich heraus, dass die MitarbeiterInnen schon viel früher den Mut dazu hätten fassen sollen, bestehende Konflikte anzusprechen, um diese aus der Welt zu schaffen, statt sie einfach nur zu ertragen. Doch erst der Workshop im Zuge der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz habe ihnen genügend Rückhalt und Raum geboten, diese Konflikte offen anzusprechen.

Ablauf der Interventionen

Ein langfristiger Erfolg!

Neuerliche Nachfragen etwa 6 Wochen nach dieser Nachbesprechung zeigten: Das Arbeitsklima hatte sich nachhaltig gebessert! Der Chef nimmt mittlerweile seine Führungsfunktion gegenüber anderen Abteilungen, aber auch innerhalb der eigenen Abteilung wahr, lädt alle MitarbeiterInnen zu einem offenen Dialog ein, um vermeintliche Missverständnisse frühzeitig klären zu können und pflegt auch mit den MitarbeiterInnen einen besseren Ton. Die MitarbeiterInnen können nun wieder ohne Angst ihrer Arbeit nachgehen und sind auch darum bemüht, die Führungskraft, trotz separatem Büro in die Abteilung zu integrieren.

Wir freuen uns sehr, dass die offenen Besprechungen und die Wertschätzung dazu geführt haben, dass wieder MitarbeiterInnen gerne statt voller Angst zur Arbeit gehen!

Christiane Heider

Meine Ausbildungen:

  • * Zertifizierte Arbeits- und Organisationspsychologin
  • * Zertifizierte Klinische und Gesundheitspsychologin
  • * Zertifizierte Notfallpsychologin
  • * Systemischer Coach
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