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Mensch. Arbeit. Sicherheit: "Evaluierung psychischer Belastungen: Welches Messverfahren ist geeignet?"

Mensch. Arbeit. Sicherheit: "Evaluierung psychischer Belastungen: Welches Messverfahren ist geeignet?" Mensch.Arbeit.Sicherheit

Interview für Mensch.Arbeit.Sicherheit (04/2014) - Das Magazin des Österreichischen Verbandes zur Förderung der Arbeitssicherheit

"In unserer aktuellen Titelgeschichte auf den Seiten 4 und 5 geben wir Ihnen einen Überblick über die einzelnen Schritte einer Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Hier erfahren Sie nun, welche Messverfahren zur Ermittlung der Gefahren arbeitsbedingter psychischer Belastungen eingesetzt werden können und was es bei der Auswahl zu berücksichtigen gilt."

Zuerst planen, dann umsetzen: Der sorgfältigen Auswahl eines geeigneten Messverfahrens in Abhängigkeit von der individuellen Unternehmenssituation kommt im Planungsprozess zur Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz größte Bedeutung zu.

„Ein Messverfahren ist zur Arbeitsplatzevaluierung grundsätzlich dann geeignet, wenn es arbeitsbedingte psychische Belastung – und nicht Personenmerkmale wie Zufriedenheit, Beanspruchung, Gesundheit, Wohlbefinden, Burnout-Risiko, Motivation etc.-, standardisiert und qualitätsgeprüft misst und die Messergebnisse eine Grundlage für die Entwicklung von Maßnahmen zur Gefahrenverhütung liefern“, erklärt Mag. Julia Steurer, Gruppe Zentral-Arbeitsinspektorat/Abteilung Arbeitsmedizin, Arbeitshygiene und Arbeitspsychologie.

Vielzahl an Messverfahren

Die Auswahl an kostenfreien wie kostenpflichtigen Messverfahren ist groß, einen umfassenden Überblick liefert die Toolbox der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, siehe Kasten rechts). Generell unterscheidet man drei große Verfahrenstypen: Das Beobachtungsinterview (z.B. SIGMA, BASA II, SGA), die schriftliche Befragung (z.B. BASA II, KFZA) und das standardisierte Gruppeninterview (z.B. ABS Gruppe). „In der Praxis haben sich jene Verfahren bewährt, welche mit vertretbarem Aufwand Ergebnisse erzielen, die auch für Nicht-Psycholog/innen, wie Arbeitsmediziner/innen oder Geschäftsführer/innen, verständlich und nachvollziehbar sind“, gibtMag. Veronika Jakl, Arbeitspsychologin in Wien, eine gute Orientierungshilfe.

„Häufig ist nicht eine Lösung für alle Arbeitsplätze gleich passend.“

Auf welches Messverfahren die Wahl schließlich fällt, hängt u.a. von der Organisation des Evaluierungsprozesses, den Kompetenzen der beteiligten Expert/innen (z.B. Arbeitsmedizin, Sicherheitsfachkraft, Belegschaftsorgane, Sicherheitsvertrauensperson, sonstige geeignete Fachleute) und der Betriebsstruktur ab.

Individuelle Lösungen

„Grundsätzlich können innerhalb eines Unternehmens auch unterschiedliche Messverfahren eingesetzt werden, weil häufig nicht eine Lösung für alle Arbeitsplätze gleich passend ist. Die grundlegenden Kriterien sind die Größe des zu evaluierenden Arbeitsplatzes (d.h. z.B. eine Abteilung oder Berufsgruppe) und die sprachliche, örtliche bzw. schriftliche Erreichbarkeit. So würde sich bei drei Portieren beispielsweise ein Beobachtungsinterview anbieten, während bei 25 Außendienstverkäufer/innen eine Online-Befragung am besten geeignet erscheint“, betont Veronika Jakl. Und auch ein stufenweises Vorgehen ist möglich: „Kommen beispielsweise schriftliche Befragungen zum Einsatz, geben deren Ergebnisse Anhaltspunkte, wo arbeitsbedingte psychische Belastungen vorliegen. Eine Konkretisierung kann durch Beteiligung von betroffenen Beschäftigten, z.B. im Rahmen von Maßnahmenworkshops, erreicht werden“, ergänzt Steurer.

Praxiserprobt: ABS Gruppe & BASA II

Veronika Jakl hat kürzlich zwei große Unternehmen bei ihrem Prozess der Evaluierung psychischer Belastungen begleitet und dabei auf das AUVA-Verfahren „Arbeits-Bewertungs-Skala - ABS Gruppe“ zurückgegriffen: Es handelt sich in diesem Fall um ein strukturiertes und moderiertes vierstündiges Gruppeninterview mit jeweils Personen derselben Tätigkeitsgruppe. Der Vorteil: Mit der ABS Gruppe werden alle vier zu evaluierenden Dimensionen der Arbeitsgestaltung – also Arbeitsmerkmale, Organisationskultur, Arbeitsumgebung und Arbeitszeit sowie Arbeitsabläufe – abgedeckt. Der Fragebogen dient der individuellen Reflexion der Arbeitsbedingungen, dann werden die Belastungsschwerpunkte der Gruppe gesammelt, nach der Belastungskonkretisierung erfolgt die Maßnahmenentwicklung.

„Als standardisiertes Gruppeninterview hat die ABS Gruppe den Vorteil, dass die Vorgehensweise genau strukturiert ist und die Mitarbeiter/innen aktiv eingebunden werden, auch in der Maßnahmenplanung. Ein Nachteil ist, dass die Personen vier Stunden nicht am Arbeitsplatz sind und der Ablauf häufig als `wenig anonym` empfunden wird im Vergleich zu einer Befragung“, betont Jakl.

Externe Unterstützung

BASA II kann als Beobachtungsinterviews oder als schriftliche Befragung eingesetzt werden. Bei der Befragung können die Personen anonym antworten. „Ohne eine weitere Bearbeitung beispielsweise im Rahmen von Workshops kann es jedoch sein, dass die Führungskräfte nicht genau wissen, warum Skalen negativ bewertet wurden. Beim Beobachtungsinterview werden die Arbeitsbedingungen von (meist) externen Expert/innen beurteilt. Wichtig ist hier in jedem Fall eine entsprechende Information vorab, um kein Gefühl der Überwachung zu erzeugen“, rät Jakl.

Sollten im Betrieb selbst die entsprechenden fachlichen Ressourcen nicht verfügbar sein, so empfiehlt es sich, bereits vor Beginn der Evaluierung externe fachkundige Unterstützung und Beratung für die Planung, Verfahrensauswahl und Umsetzung in Anspruch zu nehmen.

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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