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HRweb: Gruppendiskussionen moderieren – Belastungen lösungsorientiert ermitteln

Stressfaktoren mithilfe einer Gruppendiskussion festzustellen hat viele Vorteile. Aber nur, wenn die Diskussion professionell moderiert ist. Hier die wichtigsten Tipps für einen unproblematischen Ablauf einer Gruppenmoderation. Konkret soll das Thema die Ermittlung psychischer Belastungen sein.

Eine Gruppendiskussion ist oft sehr wertvoll um psychische Belastungen zu ermitteln und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Damit nicht alle durcheinander reden und am Ende ein gemeinsames Ergebnis steht, benötigt es einen Moderator.

Im Artikel "Psychische Belastungen am Arbeitsplatz | Gruppendiskussionen zum aktiven Stress-Abbau" haben wir uns mit der Vorbereitung einer Gruppendiskussion im Rahmen der Evaluierung psychischer Belastungen beschäftigt. Diesmal geht es um den Ablauf und die Durchführung der Moderation.

Üblicherweise sitzen in einem solchen Workshop fünf bis 12 Mitarbeiter, die ähnliche Aufgaben haben und den gleichen Vorgesetzten. Als Moderator haben Sie nun drei bis vier Stunden Zeit festzustellen, ob es Gefährdungen durch psychische Arbeitsbedingungen gibt und, im Idealfall, wie man diese reduzieren kann.

Der genaue Ablauf ist auch davon abhängig, ob Sie mit den Mitarbeitern die Ergebnisse einer schriftlichen Befragung vertiefen möchten oder das standardisierte Messverfahren ABS-Gruppe einsetzen.

Schreiben Sie sich auf jeden Fall einen Ablaufplan für den Workshop. Vor allem als Einsteiger im Moderationsgeschäft hilft es ungemein sich ein Stundenbild zu überlegen, wo klar ersichtlich ist, welche Schritte nacheinander folgen, wie lange diese jeweils ungefähr dauern und welche Materialien Sie dafür benötigen.

Planen Sie vorab auch, wann Sie die Pausenzeiten machen werden. Die Teilnehmer benötigen regelmäßige Pausen um konzentriert zu bleiben und um nicht zwischendurch abwechselnd auf die Toilette zu verschwinden. Und gerade wenn Sie Ihre ersten Gruppendiskussionen abhalten, benötigen Sie Pausen, um sich unbeobachtet auf den nächsten Moderationsschritt vorbereiten zu können.

 

Beginnen Sie Ihre Gruppenmoderation mit einem sanften Einstieg

Zu Beginn sollten Sie als Moderator unbedingt eine gute Einleitung für die kommenden Stunden vornehmen. Worum geht es bei der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz? Wer ist für das Projekt verantwortlich? Wie wurden die Teilnehmer ausgewählt? Was wird von den Teilnehmern erwartet? Was passiert mit den Ergebnissen?

Wenn Sie noch nicht oft moderiert haben, können Sie diese ersten 10 Minuten auch super vorab im Büro üben. Das nimmt Ihnen die Aufregung und Sie können sich dann auf die Teilnehmer konzentrieren.

Wenn Sie die Teilnehmer nicht kennen, sollten Sie in den ersten 20 Minuten keine kritischen Inhalte besprechen. Geben Sie den Leuten Zeit anzukommen und sich geistig auf das Thema einzulassen. Besprechen Sie hier zunächst die Hintergründe, den Workshop-Ablauf.

Anschließend passt eine kleine Vorstellungsrunde gut. Stellen Sie konkrete Fragen um Vielredner zu begrenzen.

„Wie heißen Sie? Wie lange arbeiten Sie schon für die Firma? Wie lange arbeiten Sie schon an Ihrem jetzigen Arbeitsplatz? Welche Ihrer Arbeitsaufgaben unterscheidet Sie von den anderen Teilnehmern?“

Oft ist ein solcher Workshop neu für die Teilnehmer. Sie überlegen bereits intensiv, was sie eigentlich an ihrem Job nervt. Sie überlegen auch, ob sie das laut aussprechen wollen und was das für Konsequenzen haben könnte.

Sie können diese Anfangsphase nutzen, um entweder positive Arbeitsbedingungen zu sammeln oder den Teilnehmern die Befragungsergebnisse zu präsentieren, falls welche vorhanden sind.

 

Sprechen Sie das Thema „Anonymität“ aktiv an

Eines der ersten Themen, das in diesen Workshops diskutiert wird, ist oft die Anonymität und der Umgang mit Ergebnissen. Wer in der Firma erhält das Protokoll? Werden konkrete Beispiele auch aufgeschrieben oder nur Verallgemeinerungen? Erzählt der Moderator Details aus dem Workshop weiter?

All diese Fragen sollten Sie vorab mit der Steuergruppe besprochen haben um sie beantworten zu können.

Es macht auch Sinn klar anzusprechen, was Sie von den Teilnehmern selbst erwarten: Geheimnisse dürfen den Raum nicht verlassen. Sicherstellen können Sie das natürlich nie, aber diese Grundregel sollte dennoch klar ausgesprochen werden.

 

Moderations-Basics gelten auch hier

Versuchen Sie alle Teilnehmer gleichberechtigt einzubinden. Dazu gehört auch Vielredner zu unterbrechen und zurückhaltende Mitarbeiter aktiv nach ihren Ansichten zu fragen.

Seien Sie neutral, wenn Konflikte beschrieben werden. Widerstehen Sie der Versuchung sich in die Rolle des Retters der Abteilung oder des Verteidigers gegenüber dem „bösen Chef“ drängen zu lassen. Auch wenn Sie privat selbst die gleiche Meinung haben und Ihnen die Konflikte bekannt sind.

Wenn komplexe Projekte, verschachtelte Vertretungsregelungen oder komplizierte Konstellationen besprochen werden, helfen oft kleine Visualisierungen am Flipchart, um eine gute Diskussionsgrundlage zu schaffen.

Die Visualisierung von Abläufen schafft eine Gesprächsbasis.

 

Unterschied zu einer „normalen“ Gruppenmoderation

Bei einer Moderation aus dem Lehrbuch, ist der Moderator allparteiisch und neutral. („Er vermeidet es, selbst zu urteilen […].“ Kühn & Koschel, 2011)

Als Experte in der Evaluierung psychischer Belastungen jedoch ist es sogar verlangt, dass der Moderator am Ende beurteilt, ob die besprochenen Arbeitsbedingungen psychische Gefährdungen im gesetzlichen Sinne darstellen.

Weiters sind Sie als Moderator angehalten, ihr arbeitswissenschaftliches und psychologisches Fachwissen einzubringen, wenn es darum geht, das Thema exakt zu beschreiben und Maßnahmenvorschläge zu erarbeiten.

Wenn Sie interner Moderator sind, haben Sie ja zusätzlich noch die Rolle ihrer eigentlichen Position im Unternehmen. Wenn Sie beispielsweise Personalist sind, sind Sie vielleicht für den Fortbildungskatalog zuständig. Es kann sein, dass die Mitarbeiter in der Gruppendiskussion sich dann darüber beklagen, dass zu wenig fachliche Fortbildungen in ihrem Bereich angeboten werden.

Überlegen Sie, was in dieser Situation besser ist:

  1. Sie stellen klar, dass Sie jetzt Moderator sind, die Wünsche gerne aufnehmen und dann später in der Personalabteilung diskutieren werden. Sie bleiben dadurch konstant in Ihrer Rolle.
  2. Sie wechseln für einen Moment die Rolle, sprechen das auch explizit an und erzählen wer an der Erstellung des Fortbildungskatalogs beteiligt ist. So können die Teilnehmer konkrete Lösungsvorschläge erarbeiten.

 

In der Gruppenmoderation hinterfragen, nachfragen, kritisch bleiben

Auch bei dieser Art der Moderation ist es wichtig lösungsorientiert nach vorne zu blicken. (HRweb-Artikel „Lieber einen lösungsorientierten Workshop gestalten") Lassen Sie die Teilnehmer nicht ewig über Stressfaktoren jammern, sondern erarbeiten Sie konkret den Belastungsfaktor.

Bei der Beschreibung, was stresst, verfallen Mitarbeiter leider immer wieder in oberflächliche Beschreibungen oder Generalisierungen.

„Das ist so heftig, wenn die Chefin um 11:00 anruft und voll dringend komplexe Auswertungen braucht für die Vorstandssitzung am Nachmittag. Der Termin war doch schon seit 6 Wochen bekannt. Und wir müssen dann stundenlang durcharbeiten ohne Mittagspause.“

Daher ist es absolut essentiell, genau nach z.B.: der Häufigkeit eines solchen Ereignisses oder nach Zeitdauern, etc. nachzufragen. Hilfreich sind hier offene Fragen wie beispielsweise problemorientierte Fragen, Skalierungsfragen oder auch dissoziierende Fragen. (siehe auch HRweb-Artikel „Mitarbeiter mit Fragen coachen (Offene Fragen Beispiele)“ )

„Wie lange sind Sie dann an der Auswertung gesessen? Hatten Sie dabei Unterstützung durch die Chefin oder Kollegen? Gab es einen, für Sie nachvollziehbaren, Grund für den kurzfristigen Auftrag? Wie oft kam denn eine solche Situation schon vor? Konnten Sie die Mittagspause damals nachholen?“

Zusätzlich ist es bei Beschreibungen solcher Situation durch Mitarbeiter wie bei Augenzeugen-Berichten: Es gibt viele potentielle Fehlerquellen in der menschlichen Psyche!

Heuristiken, Beurteilungsanker und Kausalitätsannahmen verzerren die Wahrnehmung und die Erinnerung jedes Menschen jeden Tag. Als Moderator müssen Sie daher kritisch bleiben. Durch gezieltes Nachfragen helfen Sie den Mitarbeitern ihre subjektiven Erinnerungen zu verbalisieren, sie bewusst zu machen und zu analysieren. Am Ende haben Sie dann die objektivere Beschreibung der psychischen Arbeitsbedingungen.

 

Maßnahmen für Gruppendiskussionen erarbeiten

Ein wichtiger Part ist das gemeinsame Entwickeln von Verbesserungsvorschlägen. Nach der konkreten Erarbeitung, was den Stressfaktor ausmacht, fällt es oft leichter, passende Maßnahmen zu formulieren.

Idealerweise kommen die Ideen von den Mitarbeitern. Diese sind Experten für ihren eigenen Arbeitsplatz und wissen oft sehr gut, was helfen würde den Stress zu reduzieren.

Als Moderator in der Evaluierung psychischer Belastungen ist es Ihre Aufgabe das Brainstorming gut anzuleiten. Am Ende sollten gesetzeskonforme Maßnahmen abgeleitet werden können (ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, §7 Grundsätze der Gefahrenverhütung).

 

Und was machen wir mit den Ergebnissen?

Lassen Sie am Ende min. 15 min Zeit, um einerseits nochmals kurz zu wiederholen, wie es nach dem Workshop weitergeht und andererseits um abzustimmen, welche Punkte ins Protokoll aufgenommen werden und wie kritische Punkte formuliert werden sollen. Manchmal sind auch betriebsspezifische Formulierungen oder das abteilungsinterne Wording entscheidend. Daher ist dieser Schritt vor allem für externe Moderatoren wichtig.

Im Protokoll sollten Sie Personennamen vermeiden. Beziehen Sie sich auf einzelne Leute nur nach Absprache und nennen auch dann nur Positionen. Denn es geht hier ja um Arbeitsplätze nicht um einzelne Mitarbeiter.

Lesen Sie im HRweb-Artikel „Evaluierung psychischer Belastungen – selbst machen oder auslagern?", welche Kompetenzen es benötigt, um die Evaluierung psychischer Belastungen durchzuführen.

 

 

Original-Artikel auf hrweb.at: http://www.hrweb.at/2016/10/gruppenmoderation-gruppendiskussionen-moderieren-belastungen-loesungsorientiert-ermitteln/ 

Veronika Jakl

Arbeitspsychologin, Autorin ("Aktiv führen") und Gastgeberin bei den "Pionieren der Prävention".

Begleitet seit 12 Jahren Organisationen dabei motivierende Arbeitsbedingungen zu schaffen und psychische Belastungen zu reduzieren. 
Unterstützt PräventionsexpertInnen, die wirklich etwas bewegen wollen.

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